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Über den Autor
Peter Dyckhoff
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Nicht mit dem Kopf, mit dem Herzen beten!
Ein Leben für die Erneuerung christlichen Betens


Eigentlich war für ihn ein ganz anderer Weg vorgesehen, nämlich einmal den elterlichen Textilbetrieb mit fast 300 Mitarbeitern weiterzuführen. Diese Aufgabe blieb Peter Dyckhoff (65) auch nicht ganz erspart, letztlich aber setzte sich doch die andere Lebenslinie durch, die er als die Linie Gottes erkannte und auf der er Erfüllung fand. Nach seiner Priesterweihe 1981 war er Wallfahrtsseelsorger in Kevelaer, Gemeindepfarrer und Leiter eines bischöflichen Bildungshauses. Heute widmet er sich ganz der Schriftstellerei, der Kurs- und Vortragsarbeit und der persönlichen Beratung. Immer aber war und ist es sein großes Anliegen, das Ruhegebet nach Johannes Cassian (370 – 450) oder das Herzensgebet, wie es auch genannt wird, als eine befreiende Erfahrung christlichen Betens neu zu vermitteln.
P. Werder SDS sprach mit Pfarrer Dyckhoff.

WB: Sie sind viel beschäftigt. Wie bekommen Sie da das „Gebet der Ruhe“ auf die Reihe?

Peter Dyckhoff: 1971, lange bevor ich Priester wurde, habe ich angefangen, das Ruhegebet zu praktizieren. Ich hatte von Zuhause her immer das Prinzip, dass Leistung an erster Stelle steht. Durch den Einführungskurs ins Ruhegebet habe ich zum ers-ten Mal in meinem Leben spüren dürfen, dass das Vor-Gott-Treten, einfach so mit leeren Händen, in mir ein Kraftpotential befreit, das nachströmt, wofür ich selbst nichts leisten muss. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Seither praktiziere ich das Ruhegebet zweimal täglich 20 bis 30 Minuten. Das hat mein Leben verändert und es mir auch möglich gemacht, viele Dinge zu betreiben und in eine gute Ausgewogenheit zu bringen, ohne dass es mich auslaugt oder an den Rand meiner physischen Existenz bringt.

WB: Als einziger Sohn waren Sie für die Übernahme der elterlichen Textilfirma bestimmt, die Sie auch eine Zeit lang geführt haben. Wie haben Sie Ihre Berufung zum Priester entdeckt?

Peter Dyckhoff: Da muss ich doch etwas weiter ausholen. Es ist zugleich auch der Weg, auf dem ich zunächst zum Ruhegebet fand.
Als Gymnasiast hatte ich mit 16 Jahren einen Unfall, der mich schließlich auch eine Zeit in den Rollstuhl brachte. Da kam ich ins Nachdenken und ich fragte nach dem Sinn des Lebens. Mich hat auch das Buch „Die Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen berührt. Es war ein Text, der mich als „Du“ ansprach, der so viele Gefühle in mir beantwortete, die ich bei Menschen nicht beantwortet bekam, auch nicht in der Kirche oder im Religionsunterricht, der ja auch mehr auf Leistung getrimmt war als auf Erfahrung einer Tiefe. Etwa ein Jahr vor dem Abitur stand für mich dann so gut wie fest: du müsstest, du möchtest Priester werden.Obwohl mein Vater nicht einverstanden war, begann ich das Theologiestudium an der Hochschule der Jesuiten in St. Georgen bei Frankfurt. Nach einem Sportunfall musste ich das Studium abbrechen. Danach einigte ich mich mit meinem Vater auf einen Kompromiss und studierte in Münster Psychologie.

Während des Abschlussexamens verunglückte mein Vater tödlich, im Alter von Mitte 50. Es war mir völlig klar, dass er mich jetzt in die Pflicht rief. Ich habe dann die Firma 12 Jahre schlecht und recht geleitet. In dieser Zeit bin ich mehrere Jahre nicht mehr zur Kirche gegangen, weil mir hier niemand den Zugang zur Eucharistie oder zur Wandlung im wahrsten Sinne des Wortes zeigte, auch nicht zu meiner seelisch-menschlichen Wandlung. Das kirchliche Leben war für mich damals so äußerlich, so dogmatisch, so von Gesetzen und Geboten durchdrungen, dass ich haltlos war. Wo war der Raum, wo ich hätte wachsen können, wo ich hätte eine Begegnung haben können? Das war ein Vakuum und so habe ich angefangen zu trinken und Beruhigungsmittel zu nehmen. In dieser Zeit habe ich mich auch von meiner Freundin getrennt. Sie wollte heiraten, sie war auf dem aufsteigenden Ast, ich aber war durch meine mangelnde Mitte auf dem absteigenden Ast.

Aber ich bin dann doch auf die Suche gegangen. Damals kam die Hare-Krischna-Bewegung und Ähnliches aus östlichen Traditionen auf. Ich fand es in diesen Gruppen sehr menschlich, aber die Botschaft hat mich nicht angesprochen. Dennoch bin ich für diese Begegnungen dankbar, weil dort im Religiösen eine praktische Erfahrung gelehrt wird, die wir ja im Westen wegen unserer Kopflastigkeit über Jahrhunderte mehr oder weniger vergessen haben. Mehr durch „Zufall“ bin ich dann auf einen Kurs über das Ruhegebet gestoßen. Ein paar Wochen nach diesem Kurs bis heute habe ich kein Mittel mehr genommen, keinen Tropfen Alkohol, nicht weil ich es mir versagte, sondern weil eine Veränderung in mir vorging: ich brauchte es nicht mehr. Ich spürte: Mensch, jetzt will das Leben dich doch noch haben.

Bald habe ich dann angefangen, meine Erfahrungen mit dem Ruhegebet weiterzugeben, allmählich konnte ich die Leitung unseres Betriebs an einen Geschäftsführer übergeben. Das ließ mich aufatmen. Aber ich könnte nicht sagen, dass das der Ruf Gottes war, nun endgültig den Weg zum Priesterberuf einzuschlagen.
Zunächst habe ich ein Meditationszentrum gegründet, und viele Menschen kamen zum Gespräch. Jetzt kam es noch mal zu einer Wende: Ich spürte: ich kann es nicht von meiner Psychologie her, ich kann es auch nicht von meinen Kenntnissen zur Technik der Meditation her, was fehlt? Es fehlt das Sakrament. Das Heilende, die heiligmachende Gnade, der Heiland, in der sakramentalen Form der Vergebung. Da kam in mir erneut der Wunsch auf, eben doch Theologie zu studieren und Priester zu werden.


WB:
Wie „geht“ das Ruhegebet?

Peter Dyckhoff: Ich nehme mir Ruhe. Durch die Wiederholung der Anrufung Gottes oder der Bitte um das Erbarmen Jesu Christi – und um diese sanfte Wiederholung geht es – werde ich physisch erst mal ruhiger, d.h. mein Herz schlägt weniger, die Stoffwechselrate sinkt, die Hirnströme synchronisieren sich, das hat man alles in Untersuchungen festgestellt. Nach 10 bis 12 Minuten, beginnt auch der innere Teil, d.h. erst mal meine Gedanken, zur Ruhe zu kommen. Es kommen zwar immer neue und die schießen ein, aber ich gehe nicht bewusst einem Gedanken nach, ich halte mich dann im Gebet immer wieder an die Anrufung, ich richte mich immer wieder auf IHN aus. Das ist im Grunde das Ruhegebet.
Es passiert etwas, wenn ich dieses Gebet länger ausübe. Es werden heilende Kräfte frei, die individuell dahin fließen, wo der Betende das größte Defizit hat. Ruhe ist immer etwas Heilsames, und wenn jetzt diese körperliche Ruhe noch gefüllt ist mit einer Innerlichkeit, mit einem Gebet, das anstrengungslos ist, dann kommt es zu Veränderungen, die erstaunlich sind. Wichtig ist, nicht bei der Theorie stehen zu bleiben, sondern das Gebet konkret zu praktizieren, möglichst täglich bei Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang, das sind die klassischen Zeiten, David hat dann noch den Mittag dazugenommen.
Dann kommen andere Einsichten, es kommen kreative Einfälle, es kommen auch körperliche Alarmzeichen, indem sich gerade in diesem Ruhezustand Schmerzen melden können, die wir sonst nicht wahrnehmen. Das heißt, das Ruhegebet wirkt bis ins Körperliche hinein. Es ist eine wunderbare Sprache, die dann ins Schwingen kommt, nicht durch meinen Willen oder meinen Intellekt, es ist eine neue Erfahrung.

WB: Sie sprechen auch vom kosmischen Gebet und vom mystischen Gebet.

Peter Dyckhoff: Der Begriff „kosmisches Gebet“ geht auf Origines (185 – 254) zurück. Es geht einfach um eine Weitung des Horizonts. Zu uns gehören der Kosmos, die Menschen, die heute mit uns leben, zu uns gehören unsere Vorfahren. Wer ist mit betroffen durch meine Gedanken und mein Tun im Guten wie im Bösen? Das will ich gar nicht im einzelnen wissen, esoterisch auspendeln, aber ich weiß, dass ich eine Verantwortung habe für die Schöpfung, für dieses Kind da, für dieses Zeichen, das der Herr mir auf den Weg schickt. Umgekehrt haben die Menschen und die Kräfte der Schöpfung auch Einfluss auf mich, und wenn ich unterscheiden lerne, kann ich wahrnehmen, dass Gott auch durch sie wirkt. Im kosmischen Gebet bricht das Ruhegebet auf in ein Miteinander, die Welt wird zum Du. Da werde ich nun nicht plötzlich geschwätzig, Gott weiß um meine Anliegen, bevor ich sie nenne, aber ich fühle mich mit vielen und vielem verbunden und so wird der Geist Gottes wirken. In dieser Weitung des Betens wächst das Gespür für unsere Verbundenheit mit allem und die Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen und der ganzen Schöpfung.
Das mystische Gebet ist im Grunde nichts anderes als das Ruhegebet und das kosmische Gebet zusammen, die dann gar nicht mehr zu unterscheiden sind.

WB: In der Mystik geht es auch um ein Loslassen von allen irdischen Abhängigkeiten, früher sprach man von Abtötung. Ist daraus nicht auch viel christliche Weltverneinung erwachsen?

Peter Dyckhoff: Es hat immer auch extreme Wege gegeben. Und aus diesen extremen Situationen hat dann der eine oder andere tiefe Erfahrungen gemacht. Aber das sind individuelle Wege, die nicht übertragbar sind und ich lehne sie auch ab. Grundsätzlich heißt es: du sollst nicht töten und das heißt, gar nichts darfst du töten, auch an dir nicht, du darfst etwas kultivieren, aber nicht töten, das ist der Unterschied. Wenn ich mit dem Willen anfange und sage: jetzt werde ich mein Leben lang kein Fleisch mehr essen, oder jemand sagt: ich werde jetzt meinen ungeordneten sexuellen Regungen nicht mehr nachgeben, und er zwingt sich vom Kopf her, dann sammelt sich die Kraft und explodiert irgendwann. Gewiss gehört zur Mystik auch der Weg der Reinigung, das Bemühen Ordnung zu schaffen, vor allem auch das Vergeben in konfliktreichen Beziehungen, aber das Wachstum der Persönlichkeit vor Gott, in Gott, mit Gott ist ganzheitlich. Manche Strukturen fallen wie von selbst ab, es wird mir eingegeben, es leuchtet mir ein und dann tu ich es gerne. Das ist für mich der Mystiker, der Erfahrungen macht zum Heil für sich selbst, für den anderen, für die Schöpfung, für den Himmel, aber nicht mit Gewalt, sondern indem der ganze Mensch mit Leib, Seele und Geist von der Liebe Gottes erfasst wird.

aus: "Wegbereiter - Magazin für Berufe der Kirche" www.wegbereiter-online.de.